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Pressemitteilung

ödp-Kritik an EU-Verfassung: „Zentralistisch, undemokratisch, ökonomistisch“

Seit Jahren fordert die ödp – so Kreisvorsitzender Martin Brock in den Abschlussveranstaltungen des ödp-Kreisverbandes zum Europawahlkampf in Schwandorf und Teublitz – eine Verfassung für die Europäische Union. Der nun vorliegende Entwurf schränkt jedoch elementare demokratische Grundsätze massiv ein, schreibt Zentralismus und Bürgerferne fest.

Der Entwurf bekennt sich zwar zu den Menschenrechten und Grundfreiheiten, jedoch nicht zu den demokratischen Grundrechten – so der Referent in seiner Eingangskritik. Interessant ist dabei, was unter den Grundfreiheiten verstanden wird. Art. 1-4 definiert sie als der „freie Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie die Niederlassungsfreiheit“. Das sind neo-liberale Wirtschaftsregeln für die Globalisierung, aber keine Freiheiten im Sinne der Menschenrechte., so Brock in seinen Ausführungen. Ein Satz der Art „Alle Gewalt geht vom Volk aus“ fehlt und wäre auch mit den Bestimmungen dieser Verfassung unvereinbar. Die für Demokratien so wesentliche Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung und Politik/Verwaltung fehlt völlig. Die Verwaltung ist im Wesentlichen Aufgabe der Kommission, deren Mitglieder von den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten ausgehandelt werden. Die politischen Grundsätze werden vom Europäischen Rat (Regierungschefs) festgelegt. Gesetzesentwürfe und der Haushalte können nur auf Vorschlag der Kommission eingebracht werden. Das EU-Parlament kann darüber nur mit dem Ministerrat beschließen. Ansonsten darf das EU-Parlament nur noch Misstrauensanträge gegen die gesamte Kommission einbringen und die Kommission beraten. Da das EU-Parlament als einzig direkt gewählte Institution sehr wenig Befugnisse hat, schafft die EU-Verfassung einen zentralistischen Staat von entmündigten Bürgern. Es entsteht der Eindruck, es gehe nicht um Demokratie, sondern um eine problemlose zentrale Verwaltung. Wie gering der Einfluss des Parlaments ist zeigt folgendes Beispiel: Das EU-Parlament wollte einheitliche (im übrigen sehr niedrige und für die ödp akzeptabele) Grenzwerte für die Mobilfunkstrahlung festlegen. Sie konnte den Vorschlag aber nicht weiterverfolgen, weil sie keine Gesetzesentwürfe machen darf. Die Kommission, die sehr stark unter dem Einfluss der Wirtschaftslobby steht, will dies nun mit einer Verordnung auf der Grundlage der deutschen Grenzwerte regeln, weil sie dazu das EU-Parlament nicht einmal anhören muss.

 

Der Einfluss der Politik wird gegen über der Wirtschaft stark eingeschränkt, so der Referent in

einem weiteren zentralen Kritikpunkt: Der EU-Verfassungsentwurf sieht vor, dass internationale

Verträge ohne Zustimmung der Mitgliedsstaaten und ohne Zustimmung des EU-Parlaments, aber im direkten Einfluss von Wirtschaftsverbänden abgeschlossen werden können. In nächster Zeit betrifft dies z.B. den sog. GATS-Vertrag, der u.a. die Öffnung von Bildungseinrichtungen für Privatfirmen festschreibt. Damit private Anbieter gleiche Chancen haben, dürfen Universitäten z.B. dann nicht mehr bezuschusst werden (Mögliche Folgen: Schulgeld, Studiengebühren, Volkshochschulen in der bisherigen Form sind nicht mehr zulässig usw.). Gleiches gilt im übrigen für Krankenhäuser, die öffentliche Wasserversorgung, die Abwasserbeseitigung, die Müllabfuhr, den öffentlichen Personennahverkehr. Den Begriff der öffentlichen Daseinsvorsorge wird es nicht mehr geben, die Wirtschaft hat überall das Sagen – so Brock in seinen Ausführungen. Selbstverständlich muss auch befürchtet werden, das Gesetze zum Umwelt- und Verbraucherschutz aufgehoben werden, soweit sie den Interessen der betroffenen Firmen im Wege stehen. Die Folgen solcher Verträge bekommen wir ganz aktuell zu spüren. Ministerin Renate Künast ist vor den USA eingeknickt und lässt den Import genmanipulierter Nahrungsmittel zu. Bisher mussten derartige Verträge wenigstens noch im Ministerrat von den zuständigen Ministern der Mitgliedsstaaten beschlossen werden, nach dem Verfassungsentwurf ist selbst das nicht mehr nötig.

 

Nach Ansicht der ödp fehlt dem Verfassungsentwurf eine Zukunftsoption: Der überholte und überflüssige Euratomvertrag wurde an der Verfassung vorbeigemogelt, gilt aber weiterhin. Das ist Atompolitik durch die Hintertür. Wir beschließen einen Atomausstieg für Deutschland (wenn dies auch de facto keiner ist) und subventionieren mit unseren Steuergeldern Temelin und andere marode Atomkraftwerke v.a. in den neuen Beitrittsländern. In Deutschland relativ streng geregelte von der Bevölkerung als kritisch bewertete neue Technologiebereiche (Gentechnik, Embryonenforschung, Mobilfunk mit hohen Grenzwerten usw.) kommen über die Hintertüre EU mit unzureichenden gesetzlichen Regelungen und Kontrollen doch nach Deutschland. Die EU-Verfassung schweigt dazu oder fordert den bedingungslosen freien Handel und kippt damit jegliche Vorsorgeverpflichtung der Staatsregierungen. Eine europäische Energiewende, eine schnelle Umstellung auf eine ökologische Landwirtschaft und ein ernst zu nehmender Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz bedeuten Zukunftssicherung und müssen damit Verfassungsrang bekommen.

 

Aus den oben genannten Gründen lehnt die ödp den vorliegenden Verfassungsentwurf, der nach Ansicht der ödp auch in mehreren Passagen (z.B. bezüglich der Verteidigungspolitik) gegen das Grundgesetz verstößt, ab. Sie fordert, dass eine so weit reichende Einschränkung demokratischer Rechte nur nach einer Volksabstimmung erfolgen darf. 92,4% der Deutschen sprechen sich für diese Volksabstimmung aus, aber 90% der Parlamentarier sind dagegen. Neuerdings wird diese Forderung auch vom bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber erhoben. Dies kann nur als Zynismus bezeichnet werden. Stoiber und die CSU blockieren seit Jahren die Einführung der direkten Demokratie auf Bundesebene.

 

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